Eine Welt voller Wunden heilen – Nationalpark-Pionier Michael Succow besucht spontan die Egge

Die Worte, die Prof. Michael Succow seinen Zuhörern ins Stammbuch schreibt, geht vielen zu Herzen: Sie sind Mahnung und Hoffnung zugleich. Knapp 40 Unterstützerinnen und Unterstützer des Nationalparks Egge eilen am Sonntag spontan zur Steinbeke nach Bad Lippspringe, weil sich der Besuch des prominenten Umweltschützers kurzfristig ergibt. Sein Besuch, der auf Initiative der Journalistin Tanja Busse aus Höxter erfolgte, setzt sich am Abend in Eversen fort.

Die Zuhörer werden nicht enttäuscht, denn Succow verfügt nicht nur über einen gewaltigen Erfahrungsschatz in Sachen Nationalparke, er kann zudem pointierte Geschichten erzählen und sendet eine sehr klare Botschaft. Succow sieht um sich herum „eine Welt voller Wunden“, die es zu heilen gelte. Die Natur wird immer knapper. Das gilt insbesondere für Wald in öffentlichem Besitz wie in der Egge: „Dieser muss dem Gemeinwohl dienen“. Seine Hauptsorge gilt dabei neben den Wäldern vor allem dem Wasser. „Wir brauchen Räume, die Grundwasser bilden“, fordert er. Die schweren Geräte der Forstwirtschaft, die tiefe Furchen aufreißen, sorgen für einen Abfluss der Niederschläge, Nadelbäume verdunsten das gesamte Jahr über das kostbare Nass: „Ein Drittel der Grundwasserbildung fällt so weg“, erklärt Succow. Inmitten des Klimawandels benötigt man Buchen zur Kühlung. „In Großstädten wie Berlin wird Trinkwasser zum kostbarsten Gut“, macht er klar.

„Ihr könnt so eine Landschaft schaffen“, ruft Succow aus. „Es ist wichtig, in Eurem Bundesland besonders die Menschen mit Kindern aufzuklären“ und sich ein Stück Natur zu sichern. Aber: Die Gier nach Geld und Macht herrscht vor. „Die Forstlobby will Holz verkaufen und dicke Hirsche züchten in Jagdbordellen. Das sind Perversionen, die wir uns nicht mehr leisten können“, wird Succow deutlich. Ohne eine Bürgerbewegung wie in den Kreisen Paderborn und Höxter ist die Zukunft nicht mehr gestaltbar. Sein Vorschlag: Mit Kindern zusammen die zerstörte Natur wieder aufbauen und Samen neuer Bäume in die Erde legen. „Der Natur auf die Sprünge helfen, das ist unsere Aufgabe und nicht die der Forstbaumschulen“.

Aus der Gier kommt der Neid und aus dem Neid erwächst der Hass: Die hohen Umfragewerte der AfD entstanden seiner Meinung nach durch die verfehlte Landnutzung nach der Wende. Damals hatte man die Hoffnung, dass aus den LPG wieder ein neuer Bauernstand entsteht. „Wir wollten eine ökologische Landwirtschaft – und dann kam die Treuhand“, so Succow.

Kraft in seinem unermüdlichen Kampf gegen die Naturzerstörung schöpft er unter anderem aus dem Engagement von Fridays for Future: „Meine Energie kriege ich durch Menschen, die nicht der Gier anheimgefallen sind. Und durch die Kinder“. Als ihm ein zehnjähriges Mädchen eine Pusteblume überreicht, ist er sichtlich gerührt. Die grüne Landtagsabgeordnete Norika Creuzmann spricht Worte des Dankes an den Nationalpark-Pionier. Herzlicher Applaus und die besten Wünsche begleiteten nach zwei Stunden seine Fahrt nach Eversen.

Im Dorfgemeinschaftshaus Eversen wurde Succow von 30 Besucherinnen und Besuchern empfangen. Der Agrarwissenschaftler lobte dort seinen einstigen Freund und Förderer Klaus Töpfer, den früheren Bundesumweltminister: Dieser hat mit seinen Ideen für Naturschutz sehr viel Weitsicht bewiesen, machte Succow deutlich. Auch hier ging der Experte auf die Bedeutung von intakten Mischwäldern für die Grundwasserneubildung und damit auch für die Landwirtschaft ein. „Ökolandbau braucht dringend mehr Wertschätzung“, betonte er insbesondere mit Blick auf den Erhalt gesunder Böden und die Bedeutung einer bäuerlichen Landwirtschaft. „Die schöne Landschaft hier soll erhalten bleiben“, machte Succow zum Abschluss deutlich. Noch am selben Abend führte der Weg des rührigen Nationalparkbefürworters nach Hannover, um rechtzeitig am Folgetag in Berlin sein zu können – bei einem Austausch mit der Umwelthilfe.

Auf dem Foto: Knapp 40 Nationalpark-Aktivistinnen und Aktivisten waren gekommen, um mit Prof. Michael Succow (in der hellen Jacke) das Gespräch zu suchen.