Die Energie und Wärmewende im Kreis Paderborn voranbringen

Das folgende Positionspapier hat der Kreisvorstand nach ausführlichen Diskussionen im Kreisverband beschlossen. Das Papier als Download.

Klimatische Veränderungen in Form von immer neuen Hitzerekorden gefolgt von dramatischen Hochwassern sowie Insektensterben und die abnehmende Artenvielfalt sind nur einige der deutlichen Hinweise, dass sich unser Klima mit hoher Geschwindigkeit ändert. Diese klimatischen Veränderungen wirken sich direkt auf unser Leben aus und betreffen jede*n persönlich.

Das Pariser Klimaabkommen hat zum Ziel, dass sich die Welt bis zum Jahr 2100 im Durchschnitt maximal nur 1,5 Grad bzw. 2 Grad Celsius im Vergleich zu 1850 (als ungefähr die Industrialisierung begann) erwärmen darf. Inzwischen wurde die Zielmarke an vielen Orten überschritten. Jüngste wissenschaftliche Veröffentlichungen zeigen deshalb immer deutlicher auf, dass die Zeit zum Handeln, um das 1,5°C Ziel einzuhalten, immer knapper wird. Die Gefahr besteht, dass diese Grenze nicht mehr eingehalten werden kann.

Insofern ist uns allen klar, dass die Folgen und Kosten der Klimakrise nur durch sofortiges und konsequentes Handeln begrenzt werden können. Die zentrale Stellschraube, die klimatischen Veränderungen zu verlangsamen, ist die Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen wie z.B. CO2-Emissionen, vor allem durch den ausschließlichen Einsatz Erneuerbarer Energien als Ersatz für fossile Energien wie Öl, Gas und Kohle.

Zu lange haben wir uns vom Import von fossilen Energien abhängig gemacht, wie uns derzeit der russische Angriffskrieg auf die Ukraine schmerzhaft aufgezeigt hat. Die Transformation unserer Wirtschaft weg von diesen fossilen Energien hin zu den erneuerbaren Energien wie Solarstrom und Windkraft ist daher nicht nur klimapolitisch wichtig, sondern auch eine Antwort auf dem Weg in einen zukunftssicheren und widerstandfähigen Wirtschaftsstandort.

Der Kreisverband von Bündnis 90 / Die Grünen Paderborn bezieht in diesem Positionspapier Stellung und formuliert die wichtigsten Handlungsfelder, um die Energie- und Wärmewende auf dem Gebiet des Kreises Paderborn erfolgreich voranzubringen.

Der Kreisverband Bündnis 90/Die Grünen Paderborn setzt sich für folgende Positionen und Ziele ein:

  1. Potentiale freisetzen und Kräfte bündeln

Der Kreis Paderborn hat seine hervorragende Position im Kreis der Spitzenreiter bei der Erzeugung von erneuerbaren Energien vielen heimischen Akteur*innen zu verdanken. Aktuell besteht zeitweise sogar ein Stromüberschuss, infolgedessen es mangels Leitungs- und Speicherkapazitäten auch immer wieder zu größeren Abregelungen der Windkraft, der Photovoltaik und sogar der Stromerzeugung durch Biogas kommt. Für den notwendigen kompletten Umstieg aller Sektoren auf Erneuerbare muss in Zukunft jedoch noch deutlich mehr erneuerbare Energie auf dem Kreisgebiet erzeugt werden.

Der Kreis Paderborn bietet durch seine Topographie ideale Bedingungen für Windräder. Da bereits viele mögliche Flächen genutzt werden, gilt es hier insbesondere Anlagen zu modernisieren und dadurch den Energieertrag zu  verbessern.

Die Kritik an den Anlagen durch Schall und Schattenschlag nehmen wir ernst und  achten auf örtliche Gegebenheiten. Gleichzeitig kritisieren wir, dass Windräder wegen der mangelnden Strom-Infrastruktur zeitweise abgeschaltet werden und damit saubere Energie nicht produziert wird. Zudem werden die Bürger*innen zusätzlich durch Netzentgelte belastet werden.

Die Stadt Paderborn belegt in Sachen PV-Ausbau einen Spitzenplatz unter vergleichbaren deutschen Städten. Dies gilt es weiter auszubauen. Neben privaten Gebäuden ist auch bei kommunalen Gebäuden sowie bei Industrie und Gewerbe diese Entwicklung geeignet voranzutreiben.

Damit die vor Ort produzierte Energie aus Windkraft, Photovoltaik, Geothermie und Biogasanlagen auch vor Ort für alle Sektoren (Strom, Wärme, Gebäude, Industrie, Verkehr) genutzt werden kann, müssen alle Kräfte für das Gelingen der Energiewende gebündelt werden. Die Kräfte und Ressourcen von Verwaltungen, Politik, Netzbetreibern, heimischen
Versorgern von Erneuerbaren, Verbänden und Wirtschaft müssen wo immer möglich gebündelt werden. So lassen sich alle nötigen Schritte zur Neuausrichtung vor Ort optimal freisetzen.

Wir setzen uns dafür ein, dass regenerative Energien entsprechend der Potentiale mit hoher Dynamik ausgebaut werden und die Netz- und Speicher-Infrastruktur im notwendigen Maße zur Verfügung gestellt wird. Die Konzepte sollen dafür konsequent erarbeitet, dabei die Akteur*innen vernetzt und die entstehenden Pläne transparent kommuniziert werden.
  1. Schnelligkeit in der Umsetzung der energie- und wärmepolitischen Ziele

Einige Kommunen im Kreis Paderborn arbeiten bereits mit erfreulicher Dynamik an der Neuausrichtung der Energie- und Wärmesysteme vor Ort. Beispielhaft arbeitet die Gemeinde Borchen gemeinsam mit dem regionalen Netzbetreiber strukturiert an der Wärmeplanung. Andere kreisangehörige Kommunen haben Bausteine wie Klimaschutzkonzepte oder auch integrierte Wärmebedarfskonzepte, mit denen die
Handlungsschritte für eine Energie- und Wärmewende aufgezeigt werden.

Wir setzen uns dafür ein, dass alle kommunalen Konzepte sowie die partiell realisierten Konzeptbausteine für die Umsetzung der Energie- und Wärmewende in unserem Kreisgebiet mit Dynamik und Engagement vorangetrieben und miteinander verzahnt werden, wo dies notwendig und sinnvoll erscheint.
  1. Transformation durch Sektorenkopplung

Vereinfacht ausgedrückt bedeutet Sektorenkopplung das ganzheitliche Betrachten von Energieerzeugung und Energieverbräuchen. In den Bereichen Verkehr, Wärme und Industrie bedeutet dies den verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energien, um fossile Energieträger zu ersetzen (Dekarbonisierung).

Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist die Digitalisierung mit intelligenten Stromzählern (Smart-Meter). Diese muss seitens des Netzbetreibers schnellstens starten. Damit kann z. B. Power-to-Heat – also Wärme aus erneuerbarem Strom – über flexible, dynamische Tarife für alle Bürger*innen und Gewerbe- und Industriebetriebe im Kreisgebiet über die (wenigen) schon realisierten Projekte hinaus verfügbar gemacht werden.

Wir setzen uns dafür ein, die Sektorenkopplung im integrierten Konzept zu
verankern und die bundesweit aber auch hier vor Ort getesteten Modelle in den
Regelbetrieb zu überführen.
  1. Keine Energie- und Wärmewende ohne Speicher

Speichertechnologien sind für das Erreichen der Ziele bei der Energiewende ein wichtiger Baustein. Alle Akteur*innen sind vor Ort gefordert, diesen Punkt mit mehr Mut und Verantwortungsbewusstsein voranzutreiben. Ob Wärmespeicher, Batteriespeicher oder Biogasanlagen: Mit Speichern lassen sich die schwankenden Energien aus Erneuerbaren für den Energiebedarf verstetigen. Deshalb wünschen wir uns auch für dieses wichtige Feld Dynamik und Engagement aller Beteiligten.

Investitionen in Speichertechnologien sind Investitionen in die Zukunft und ermöglichen erst den Weg in eine energieresiliente Region Paderborn.

Wir setzen uns dafür ein, eine Speicherstrategie im Kreis Paderborn zu
erarbeiten.
  1. Kommunale Wärmeplanung vorantreiben

Für alle kreisangehörigen Kommunen sind mit hoher Priorität die Wärmeplanungen zu erarbeiten. Für Bürger*innen, Industrie, Gewerbe und Kommunen kommt der Planung von Wärmenetzen eine besondere Bedeutung zu. Hauseigentümer*innen und kommunale Wohnbaugesellschaften wie auch private Vermieter*innen sowie Gewerbe- und Industriebetriebe benötigen für ihre individuellen langfristigen Investitionsentscheidungen Sicherheit.

Dafür ist es entscheidend zu wissen, ob der jeweilige Wärmebedarf dezentral über Nah- bzw. Fernwärme bereitgestellt wird oder ob Lösungen von den Wärmenehmenden individuell über Geothermie oder Wärmepumpen geplant werden müssen. Die Bandbreite der einzusetzenden Technologie und des genutzten Wärmemediums ist ortsangepasst zu planen. Transparenz bei den zu erwartenden Kosten ist dabei unabdingbar.

Wir setzen uns dafür ein, die kommunale Wärmeplanung in den kreisangehörigen Kommunen mit hohem Tempo voranzutreiben.
  1. Mehr Bürger*innen-Beteiligung ermöglichen

Wir möchten Bürger*innen an der Energie- und Wärmewende im Kreis Paderborn beteiligen. Dazu gehören ihre politische Mitwirkung und direkte und indirekte finanzielle Beteiligungsmodelle. Das schafft auch mehr Akzeptanz.

Vorbild sind die schon vielfach umgesetzten Bürgerbeteiligungen an Windkraft und Photovoltaik. Auch für Wärmenetze gibt es geeignete Konzepte mit einer Vielzahl an praktisch erprobten und verlässlichen Anwendungsfällen.

Wir setzen uns dafür ein, sinnvolle und breit akzeptierte Beteiligungsmöglichkeiten zu schaffen.
  1. Wasserstoff und Industrie

Wasserstoff wird aufgrund des geringen Wirkungsgrades nur dort angewendet werden, wo zielgerichtet energieintensive Betriebe versorgt werden müssen. Sowohl von der Effizienz- als auch von der Kostenseite wird „grüner“ Wasserstoff in absehbarer Zeit nicht in genügender Menge für Versorgungskonzepte im privaten Umfeld bereitstehen.

Wir setzen uns dafür ein, eine Wasserstoffstrategie im Kreis Paderborn zu entwickeln. Es gilt zu klären, wo zukünftig Wasserstoff in welchen Mengen bereitgestellt werden muss, wie er dorthin gelangt und wo er produziert werden kann.
  1. Heizen mit Holz

Als dauerhafter CO2-Speicher kann Holz für die Möbel- und Bauwirtschaft verarbeitet werden. Zur Wärmegewinnung über Blockheizkraftwerke gilt es, nur Restholz, z.B. aus der industriellen Verarbeitung, zu nutzen.

Holz ausschließlich für Heizzwecke zu importieren bzw. die Rundholzverarbeitung zu Hackschnitzeln oder Pellets lehnen wir ab. Stichworte sind hier die „Kaskadennutzung“ und die „Kreislaufwirtschaft“: Verbrannt werden darf nur jenes Holz, das tatsächlich keiner hochwertigeren Nutzung mehr zugeführt werden kann. Dies gilt auch für die Planung neuer Heizkraftwerke.

Wir setzen uns dafür ein, unsere hochwertige Holzressourcen dauerhaft zu nutzen
und das Verbrennen von Holz auf ein Minimum zu reduzieren.
  1. Biogasanlagen als Ergänzung zu Windkraft und PV

Biogas ist eine konzeptionelle Ergänzung zu den regenerativen Energieträgern Wind und Sonne. Denn anders als Wind- und Solarenergie kann Biogas witterungsunabhängig erzeugt und gespeichert werden.

Somit bietet sich Biogas dazu an, Schwankungen im Stromnetz auszugleichen. Parallel können Biogas-Anlagen genutzt werden, um Wärme in Nahwärmenetze einzuspeisen.

Wir setzen uns dafür ein, dass die Biogasanlagen mit heimischen Abfall- und
Reststoffen eingesetzt und sinnvoll in die Strukturen der Energie- und
Wärmewende eingeplant werden.
  1. Wärmedämmung

Wärmedämmung ist ein Schlüssel zur Energieeffizienz im Gebäudebereich. Damit die beschleunigte Wärmewende gelingt, muss der Energiebedarf der Gebäude sinken, etwa durch eine bessere Dämmung oder den Tausch von Fenstern.

Die Wärmewende beinhaltet viele energiepolitische Maßnahmen, von denen energieeffiziente Gebäude sowohl im Altbestand wie auch bei Neubauten ein ganz wichtiger Baustein sind. Gerade bei Neubauten ist es sinnvoll, sofort so zu planen, dass Gebäude die notwendige Energie im Betrieb selbst erzeugen.

Wir setzen uns dafür ein, entsprechende Bauberatungen anzubieten.
  1. Öffentlichkeitsarbeit

Die Energie- und Wärmewende sind eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und Aufgabe. Hier gibt es einen hohen Informationsbedarf, gerade auch hinsichtlich der Förderprogramme von Bund, Land und Kommunen. Wir sehen dies als gewinnbringend für die Bürger*innen und für die heimische Wirtschaft – und natürlich für das Klima.

Wir setzen uns dafür ein, die Chancen und Möglichkeiten der Energie- und
Wärmewende breit zu kommunizieren und dass Bürger und Bürgerinnen sich vor Ort
informieren können, z.B. durch unabhängige Beratungen, bei der
Verbraucherzentrale oder anderen Institutionen.

Einladung zum Gespräch und Weiterdenken

Die Formulierung dieser Ziele bedeutet für den grünen Kreisverband Paderborn, aktiv mit allen Bürger*innen, den demokratischen politischen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen zu kommunizieren und an der Umsetzung zu arbeiten. Wir nehmen Sorgen auch einzelner Gruppen ernst und verstehen Demokratie als einen notwendigen Ausgleich unterschiedlicher Interessen.

Nur gemeinsam können Bürger*innen, Handel, Handwerk, Gewerbe, Industrie, Verwaltungen die Energie- und Wärmewende im Kreis Paderborn voranbringen – als einen lokalen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise. Damit schützen wir unsere Lebensgrundlagen, unsere Gesundheit, unsere Arbeitsplätze, die kommunalen Finanzen und den sozialen Zusammenhalt unserer heimischen Gesellschaft.