Grüne diskutieren mit Cannabis-Experten Dr. Ingo-Ilja Michel über Legalisierung von Cannabis

Dr. Ingo Ilja Michels ist ein ausgewiesener Experte in allen Fragen zu Cannabis. Derzeit ist er Mitglied des Instituts für Suchtforschung der Universität Frankfurt/Main. Er war Drogenbeauftragter der Bremer Bürgerschaft und leitete die Arbeitsstäbe der Drogenbeauftragten der Bundesregierung in Verantwortung unterschiedlicher Bundesregierungen. Zudem war er international tätig als Leiter des EU Central Asia Drug Action Programme (CADAP), bei dem es darum geht, in Zentralasien moderne Methoden der Prävention und Behandlung einer Drogenabhängigkeit zu etablieren. Der Start seiner politischen und beruflichen Karriere liegt in Paderborn. Ingo Ilja Michels gehört zu den Gründungsmitgliedern der GRÜNEN im Jahr 1979 in der Stadt und war Ratsmitglied in der ersten grünen Stadtratsfraktion überhaupt. Er referierte auf Einladung des grünen Stadtverbands zum aktuellen Vorhaben der Bundesregierung zur Legalisierung einer Cannabis-Abgabe. Unter welchen Bedingungen kann eine kontrollierte Abgabe gelingen, wenn die Kontrolle über Menge und Qualität des konsumierten Cannabis und Jugendschutz gewährleistet sein muss? 

Michels entfaltete zu Beginn, wie sich die Debatte in der Fachöffentlichkeit und die allgemeine Kontroverse um den Cannabis-Konsum über die Jahre entwickelt haben. In der Reaktion auf das Vorhaben im Koalitionsvertrag der Ampel im Jahr 2021 zeigte sich im “Deutschlandtrend” auch ein gespaltenes Bild. Für 43% geht der Plan in die richtige Richtung, 46% äußern sich ablehnend. Michels verwies auf den umfänglichen Konsultationsprozess der Bundesregierung im Jahr 2022 mit mehr als 200 der führenden Expertinnen und Experten aus Suchtmedizin, Suchthilfe, Rechtswissenschaften, Wirtschaft und Verbänden sowie Vertreterinnen und Vertreter von Ländern, Kommunen, Bundesministerien und Bundesbehörden. Stellvertretend zitierte er Dr. Peter Raiser von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V.: “Die regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene ist eine weitreichende Änderung in der Drogen- und Suchtpolitik. Sie will politisch sorgfältig vorbereitet werden und es sind viele unterschiedliche Bereiche betroffen – von Prävention und Jugendschutz über Beratung, Therapie und Selbsthilfe. Der Konsultationsprozess ist ein wichtiger Schritt, die Expertise und Erfahrung der Fachleute bereits frühzeitig einzubinden. Wichtig ist, die gesundheitspolitischen Ziele nie aus den Augen zu verlieren.” Ohne schädliche Wirkungen zu verharmlosen, gehört zu einer ehrlichen Debatte auch, dass Suchtmediziner deutlich darauf hinweisen, welch gefährlicheres Suchtpotential Alkohol darstellt, der gesellschaftlich weit weniger reglementiert wird, so Michels. 

Michels skizzierte mögliche Vorgehensweisen bei der Entkriminalisierung von Cannabis-Konsum und empfahl den Blick nach Uruguay oder Kanada, in denen die Abgabe von Cannabis bereits seit mehreren Jahren legal erfolgt. Er leitete daraus auch konkrete Handlungsempfehlungen ab. Neben einer hohen Altersgrenze müssen authentische Kampagnen zur Aufklärung eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes begleiten. Um Missbrauch und Missverstände zu verhindern, bedarf es eines guten Produktlabelings mit Angaben zu THC/CBD-Gehalt, Konsumform und empfohlener Portionsgröße, aber auch mit klaren Warnhinweisen. Werbung sollte besonders reglementiert werden. Dabei sind nur neutrale Verpackungen vorzusehen. Jegliche Verweise bzw. Referenzen zu Prominenten oder Szene sind ebenso zu unterbinden wie Werbung über Influencing in Social Media. Seit 2017 übernehmen die Gesetzlichen Krankenkassen in bestimmten Fällen die Kosten für Cannabis-Arzneimittel. Dafür gelten strenge Voraussetzungen. Die medizinische Nutzung von Hanf darf nicht dem Cannabis-Konsum verwechselt und vermischt werden. 

Michels wies bereits daraufhin, dass Abstimmungsfragen mit dem EU-Recht zu klären sind. Dem tragen auch die aktuell von den zuständigen Ministern Lauterbach und Özdemir vorgestellten Eckpunkte Rechnung. Sie betonten noch einmal den Jugendschutz und das Ziel den kriminellen Markt auszutrocknen und die Inhaltsstoffe besser zu kontrollieren.

Insgesamt plädierte der Experte Dr. Michels für enge wissenschaftlicher Begleitung, um die Fragestellungen, die sich in der Legalisierung von Cannabis ergeben, für die Umsetzung aufzunehmen und Lösungen zu evaluieren.