Thüringen tanzt auf dem Vulkan – Politischer Aschermittwoch in Eisenach

Was geschieht am politischen Aschermittwoch, was passiert jetzt in Thüringen, fragten wir uns auf dem Weg in den Eisenacher Kunstpavillon. „Tanz auf dem Vulkan“, hatten die Grünen aus Thüringen den Abend überschrieben. Lange vor dem Sündenfall in Erfurt, vor dem Terroranschlag in Hanau hatten die Organisatoren bei der Mottowahl an die ausschweifend-goldenen, bitterlich-armen, gleichzeitig politisch turbulenten zwanziger Jahre  des letzten Jahrhunderts gedacht.

Tiefes Entsetzen und bissige Erkenntnisse vermischten sich jetzt am Politischen Aschermittwoch, der seinen Anfang mit einer Schweigeminute an die Opfer von Hanau nahm. Stilecht im Look der mondänen Zwanziger gekleidet annoncierte ein Duo die Spitzen grüner Landespolitik: Madeleine Henfling MdL, die frisch gewählte Landessprecherin Ann-Sophie Bohm-Eisenband und den Fraktionsvorsitzenden Dirk Adams.

Höchst abwechslungsreich in der Vortragsform kristallisierte sich die Frage des Abends heraus: Was passiert in unserem Land, wenn nach den 1920er die 1930er folgen?  Auf den gegenwärtigen rassistischen Diskurs verwies Madeleine Henfling und erinnerte an Rostock-Lichtenhagen, die NSU-Morde und Halle. Erst fielen Worte und dann träfen Schüsse. Allein mit Lichterketten und Mahnwachen sei es nicht getan. Mit dem Gleichsetzen von „rinks und lechts“ müsse Schluss sein: „Eine brennende Mülltonne ist nicht das Gleiche wie das Töten von Menschen“. Raus mit den Rassisten aus den Talkshows, forderte die Landtagsabgeordnete. „Deutschland müsse sich endlich eingestehen, dass das Land ein verdammtes Problem mit dem Rassismus habe. Und wir sind ein Teil des Problems. Wir müssen lernen, häufiger Nein zu sagen.“

In den vergangenen Wochen habe das kleine Thüringen erfolgreich alle Medien annektiert, summierte die neue Landessprecherin bei ihrem erfolgreichen Premierenauftritt. Ein weltweites Alleinstellungsmerkmal: Eine Ein-Mann-Regierung, dieser auch nur geschäftsführend.  Die FDP arbeite, so Ann-Sophie, erfolgreich an ihrem Abgang in die Bedeutungslosigkeit. Bodo Ramelow könne mit einer eigenen „Bodo-Partei“, inklusive der Fehlanzeige linker Inhalte, in Thüringen phänomenale Ergebnisse erzielen, karikierte sie die „herrschenden kommunistischen“ Verhältnisse. Der SPD mit ihrer lautstarken Forderung nach sofortigen Neuwahlen attestierte die Weimarerin einen kompletten Wirklichkeitsboykott. „Du Realität, du bist es nicht wert, dass sich die Welt um dich dreht“.  Bekanntlich ist die für Neuwahlen erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit des Landtages weit und breit nicht in Sicht.

Vielleicht sei die Lösung in diesen „chaotisch, dilettantischen“ Zeiten: Landtag zusperren und Schlüssel wegschmeißen, so die Landessprecherin. Das variierte Dirk Adams, grüner Fraktionssprecher, etwas. Der berechtigte Eindruck eines „Tollhauses“ stimme und müsse dringendst am 4. März im ersten Wahlgang korrigiert werden.

Thomas Kemmerich und Mike Mohring hätten die AfD-Stimmen bei der Ministerpräsidentenwahl „so gewollt, eingeplant und es eiskalt durchgezogen.“ Mit Cowboystiefeln, so stilisiert sich der glatzköpfige FDP-Politiker gern, in die Staatskanzlei einzureiten, sei Politik ohne Plan und ohne Mannschaft. Kemmerich sei dann schneller zurückgetreten, als der Schatten von Lucky Luke schieße. Madleine Henfling hatte es vorher drastischer formuliert. „Kemmerich sei wie ein uneingeladener Gast auf einer WG-Party, schieße sich [mit Alkohol] noch vor Mitternacht ab, kotze die halbe Bude voll und haue dann einfach ab.“

Nüchtern kalkulieren die Grünen, dass sich am nächsten Mittwoch zwei weitere CDU-Abgeordnete finden werden, die für Bodo Ramelow als Ministerpräsidenten votieren. Zwei hatten ohnehin schon R2G Anfang Februar unterstützt. Allen Berliner Einschärfungen zum Trotz.

„Soviel Unklarheit war noch nie in Thüringen und in der Thüringer Union“, zwischen bilanzierte Adams. Selbstkritisch merkte er auch in Richtung Grüne an, die Fastenzeit biete eine gute Gelegenheit, hart mit sich ins Gericht zu gehen.