„Das ist keine nachhaltige Forstwirtschaft mehr“- Waldexkursion mit Norwich Rüße und Naturschützer:innen

Grüne vor dem Schild Naturwaldzelle

„Es gibt viel zu tun im Naturschutz“, sagte Norwich Rüße gleich zu Beginn der knapp zweistündigen Wald-Tour, zu der der grüne Kreisverband Paderborn eingeladen hatte. Der Umwelt-politische Sprecher der grünen NRW-Landtagsfraktion ließ sich am Freitagnachmittag nicht von zehn Zentimetern Neuschnee von spannenden Einblicken in den Zustand des Forstes abhalten – ebenso wenig wie die rund 50 Besucher, die die geführte Wanderung zwischen Forsthaus Steinbeke und Römerbrunnen entlang der Naturwaldzelle Rosenberg sichtlich genossen. In Adalbert Niemeyer-Lüllwitz, Vorstandsmitglied des BUND-Landesverbandes (ganz rechts, daneben Norwich Rüße), hatten sie einen versierten Naturexperten in ihren Reihen.

Gemeinsam mit Ulli Möhl und Norika Creuzmann, Paderborner Landtagskandidaten der Grünen, sowie der Vorsitzenden des Bezirksverbands Ute Koczy startete die Tour durch das Buchenwald-Naturerbe Ostwestfalen-Lippe. Schnell wurde die Forderung nach dem Schutz dieses Naturerbes laut. „Es ist das größte Wildnisgebiet außerhalb eines Nationalparks“, so Niemeyer-Lüllwitz, „es hat Potenzial für einen Nationalpark“. 600 Hektar Wald wurden hier aus der Bewirtschaftung herausgenommen. „Dies sollte Kerngebiet des Nationalparks in Egge-Nord werden“. Die Frage laute, welche Zukunft die Wälder haben würden. Es gelte, das Wildnisentwicklungskonzept an dieser Stelle weiter auszubauen, schrieb er dem aus dem Kreis Steinfurt stammenden Norwich Rüße ins Stammbuch.

Dies war Wasser auf die Mühlen von Karsten Otte, Sprecher der Bezirkskonferenz Naturschutz. Er kündigte an, dass ein solches Konzept in den nächsten Tagen das Licht der Welt erblicke. „Wir freuen uns auf die Entwicklung, die hier anfängt“. Das meinte er besonders mit Blick auf die Populationen: „Es macht keinen Sinn, Briefmarken auf die Karten zu kleben“. Vielmehr müssten Schutzgebiete großzügig und konsequenter sein. Ein Ansatz sei die Bindung von CO2. Insbesondere in der Aufbauphase von Naturwäldern „wird enorm viel CO2 gebunden“. Es gelte, die Möglichkeiten des CO2-Handels und Baumprämien geschickt zu nutzen, sekundierte Norwich Rüße.

Landtagskandidatin Norika Creuzmann brach einmal mehr eine Lanze für einen zweiten Nationalpark in NRW. Die Naturwaldzelle und das Areal Egge-Nord eigne sich hervorragend als Ausgangspunkt. Gleichzeitig betonte sie die Wichtigkeit des Naturschutzes im nahe gelegenen Truppenübungsplatz Senne. Auch bei militärischer Nutzung dürfe darüber nicht der schonende Umgang mit dem bundesweit einmaligen Hotspots der Artenvielfalt vergessen werden. „Die Pflegemaßnahmen, die die Briten hier viele Jahre sehr ernst genommen haben, sind grade angesichts der vielen hier übenden Nato-Truppen wichtiger denn je“, machte sie mit Nachdruck deutlich. Naturschutz und eine militärische Nutzung können in Einklang funktionieren, wie man an vielen Übungsplätzen in Großbritannien sehe: Dort sind viele militärische Areale gleichzeitig als Nationalpark ausgewiesen, ohne dass sich beides in die Quere kommt. 

Die Erholungsfunktion des Waldes wird immer wichtiger: Hans Jürgen Wessels, Vorsitzender des Fördervereins Nationalparks Senne-Eggegebirge und einstiger Bürgermeister von Altenbeken, erklärte den Begleitern das Wanderwegekonzept, das in Altenbeken entwickelt wurde. Der Name „Naturerbe-Wanderwelt“ stehe für dezente Beschilderung und ein Konzept, das gemeinsam von den Anliegerkommunen getragen werde. 

„Man hört immer vom Waldsterben“, so Niemeyer-Lüllwitz mit Blick auf eine vertrocknete und abgeräumte Fichtenfläche. Aus fachlicher Sicht „ist das immer noch Wald“. Es gelte darum, den Waldumbau zu forcieren und die Naturverjüngung zu nutzen. Der Unterschied zwischen privat genutztem Wald und der sich selbst überlassenen Naturwaldzelle konnte dabei auf dem Rückweg nicht größer sein. „Diesen Umgang mit Wald sollte man heute so nicht mehr machen“, verwies Niemeyer-Lüllwitz anhand von Fotografien auf die Veränderung: Wo einst dichter Baumstand war, stehen jetzt nur noch so genannte Zukunftsbäume. „Schirmschlag“ heißt dieses Verfahren, aber „die Bäume werden es nicht mehr schaffen“. Der Klimawandel würde hier für eine Kahlfläche sorgen, der Boden wird heiß und trocken, wo einst kühle Feuchte herrschte. „Das ist für mich keine nachhaltige Forstwirtschaft mehr“, so der BUND-Experte. „Das ist einfach nur traurig“. Man könne darüber diskutieren, ob hier in hundert Jahren überhaupt noch Buche stehen wird. Es gelte darum, schon jetzt stabile Mischungen zu pflanzen. „Damit habe ich als Naturschützer kein Problem. Man muss auch mal etwas ausprobieren“.