Wildschön und wertvoll: Der Nationalpark Egge – Eine Bilanz des Bürger*innen-Begehrens im Kreistag

Viele Grüne vor dem Kreishaus nach der Übergabe der Unterschriftenlisten für das Bürgerbegehren Nationalpark Egge.

Vor der gestrigen Entscheidung des Kreistages hat Sigrid Beer (Bildmitte), die Vertreterin des erfolgreichen Bürger*innen-Begehrens, zusammen mit Jonas Kamrath (SPD) und Hans-Jürgen Wessel (Naturschutz- und Umweltverbände), ausführlich die Ziele und Intention des Bürger*innen-Begehrens dargelegt. Mehr als 12.000 Stimmen hatte das Bündnis von Umweltverbänden, Parteien und Naturschützer*innen beim Kreistag eingereicht. Notwendig waren rund 9.800. Wir dokumentieren Sigrids Rede zur Bewerbung des Kreises Paderborn für den zweiten Nationalpark in NRW:

“Ein Nationalpark Egge ist ein Zukunftsprojekt für Mensch und Natur in unserer Heimat. Wild, schön und wertvoll. Wir brauchen die Natur, ihre Artenvielfalt, ihre Biodiversität – die Natur braucht uns Menschen nicht. Von allen Kontinenten der Welt erwärmt sich Europa am schnellsten mit drastischen Folgen. Das hat die Europäische Umweltagentur gerade erst deutlich gemacht. Wir brauchen entschlossene und weitsichtige Entscheidungen im Kampf gegen den Klimawandel.

Ein Nationalpark ist viel mehr als die Summe seiner Bäume, die einen natürlichen Lebenszyklus durchlaufen können. Sie sind Hotspot der Artenvielfalt und das Artensterben sollte uns nach der Klimaerwärmung am meisten sorgen. Von den für den Nationalpark angedachten staatlichen Flächen im Eggegebirge, ca. 12.400 ha. sind zurzeit 71% als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Eine sehr gute Grundlage für einen Nationalpark!

Die Vielfalt aus Waldtypen, Felsen, Mooren, Quellen und Fließgewässern ist Lebensraum für seltene und geschützte Arten. Bereits 2005 wurden weit mehr als 200 Arten der Roten Liste NRW nachgewiesen – unter ihnen Wildkatzen und das vom Aussterben bedrohte Haselhuhn.

Auf gut 34% des Suchraums liegen Nadelwälder, erheblich geschädigt oder bereits abgeräumt und somit holzwirtschaftlich nicht nutzbar. Dort kann sich vielfältig und klimastabil ein natürlicher Mischwald entwickeln.

Wir brauchen dringend Flächen, auf denen der Erhalt der Arten und Lebensräume die oberste Priorität haben. Etwa 45% der untersuchten Tier-, Pilz- und Pflanzenarten stehen in Nordrhein-Westfalen auf der „Roten Liste“,

  • d.h. gefährdet,
  • vom Aussterben bedroht
  • oder bereits ausgestorben.

Nationalparke sind die einzigen Schutzgebiete, die auf großer Fläche natürliche Dynamiken ermöglichen, und gleichzeitig dem Naturerleben, der Umweltbildung und Forschung dienen. Von einer nachhaltigen Regionalentwicklung, können auch die umliegenden Städte und Gemeinden in wirtschaftlicher Hinsicht profitieren. Beim Nationalpark geht es um Biodiversität, Schutz von Ökosystemen und Klimaschutz, aber auch um Wertschöpfung in unserer Region.

Viele Nationalparke sind in Naturparke eingebettet. Der Nationalpark ist das Label und bietet erlebbare, geschützte Natur – der Naturpark ist der Motor des naturverträglichen Tourismus, das betont auch der Präsident des Verbandes deutscher Naturparke Friedhelm Heuwinkel. Auch das passt in unserer Region. Wer sich rechtsicher in allen Fragen informieren will, kann das auf der Homepage nationalpark.nrw.de tun.

Wir möchten aber hier und heute schon für alle klarstellen:

Flächen & Landwirtschaft

Eine Nationalparkverordnung wird mit Trägern öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit erarbeitet. Sie bezieht sich ausschließlich auf Nationalparkflächen. Für angrenzende Flächen im Umfeld entstehen durch einen Nationalpark keine Auflagen.

Für benachbarte landwirtschaftlich genutzte Flächen gibt es keinerlei Einschränkungen. Die künstliche Debatte um Pufferzonen entbehrt jeder Grundlage und ist gezielte Falschinformation. Punkt.

Wirtschaftscluster Holz

In einem Entwicklungsnationalpark finden noch über Jahrzehnte Waldumbaumaßnahmen statt, die einen Verkauf von eingeschlagenem Holz weiterhin ermöglichen. Der mittel- und langfristigen Reduzierung des Holzeinschlags müssen die regionalspezifischen positiven Auswirkungen auf Tourismus, Gastgewerbe und weitere profitierende Wirtschaftszweige, z.B. den Einzelhandel, gegengerechnet werden. Beispiel Nationalpark Eifel: Die regionalwirtschaftlichen Effekte liegen auf dem Tisch: Brutto-Umsatz im Jahr – 76 Millionen Euro. Das entspricht einem Beschäftigungsäquivalent von 1347 Personen in Vollzeit.

Auch nach 20 Jahren gibt es mit mehr als 3.4 Mio.€ noch immer Holzeinnahmen aus Maßnahmen in der Entwicklungszone, zeigt der Leistungsbericht 2022. NRW-weit schützen wir nicht mal 2% der Landeswaldfläche. Über 98 Prozent der Wälder in NRW stehen der Holznutzung zur Verfügung.

Das ist die reale Lage. Warum werden durch unzutreffende Behauptungen – oftmals auch wider besseren Wissens? – Ängste und Verunsicherung geschürt. Das Gutachten der IHK in Bezug auf Forstwirtschaft und Holzernteprognose ist einfach fachlich enttäuschend. Eine klassische forstökonomische Modellierung von gestern, strotzend von Annahmen, die die Folgen des Umweltwandels und Veränderungen im Markt von Ökosystemleitungen wie alternative Waldnutzungen ausblenden. Naturnahe Wälder und ihre Böden sind starke Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise. Bäume, die hundert und mehr Jahre alt werden, ungenutzte Wälder reichern über Jahrhunderte hinweg weiteren Kohlenstoff an.

Wildtiermanagement

Zur Gefahrenabwehr und zur Vermeidung unverhältnismäßiger Schäden auf Flächen Dritter finden Wildtier- und Borkenkäfermanagement auch in einem Nationalpark statt.

Trinkwasser

Auch in einem Nationalpark bleibt die Trinkwassergewinnung gesichert.

Zusammenarbeit von Land und Kommune

Die Nationalparkverordnung regelt die Kooperation mit den Kommunen und kann auch ein kommunales Vetorecht über einen Nationalparkausschuss erhalten, wie im NP Eifel.

Flächen Dritter können zusätzlich zu den staatlichen Flächen eingebracht werden. Aber ausdrücklich nicht gegen deren Willen. Wer von Enteignung spricht, verbreitet Falschinformationen.

Ich zitiere zum Schluss den ehemaligen Landtagsabgeordneten und Unternehmer Hagen Tschoeltsch (82), Kreisehrenvorsitzender der FDP aus Siegen Wittenstein. Er unterstützt ausdrücklich die Bewerbung für einen Nationalpark. Er führt aus: „… ich wundere mich schon, warum immer gleich massiv komplett geblockt wird. Der Nationalpark schränkt die regionale Entwicklung nicht ein, vorausgesetzt man plant ihn gemeinsam und hört sich gegenseitig und mit Wertschätzung zu.“ Und weiter: “Wenn die Menschen der Region einen Nationalpark wollen, dann ist es Aufgabe der Politik das im Schulterschluss mit den Interessensvertretern intelligent umzusetzen.“

So wollen wir das auch für unsere Region.

Wir müssen unsere Natur schützen. Wir wollen unseren Kindern und Enkelkindern unseren wertvollsten Heimatschatz, unser Naturerbe und die Artenvielfalt bewahren.

In einem Nationalpark Egge.

Dann können sich die Menschen hier und in ganz NRW beglückwünschen. Dann schreiben wir die Erfolgsgeschichte von Nationalparken, menschennah, ökologisch und wirtschaftlich auch bei uns weiter.”