Haushaltsrede für die Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Ralf Pirsig

Sehr geehrter Herr Landrat Rüther,
sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Kreistages,
verehrte Gäste,

zunächst möchte ich allen Mitarbeitenden der Verwaltung im Namen unserer Fraktion Danke sagen für die gute Zusammenarbeit im jetzt ablaufenden Jahr. Sie waren uns stets verlässliche Ansprechpartner:innen. Wenn auch die Haushaltszahlen nicht glücklich stimmen lassen, so steckt dennoch die Arbeit der Verwaltung und nicht zuletzt der Kämmerei hinter dem umfangreichen Zahlenpaket und auch dafür gebührt Ihnen Dank.

Die Diskussion um den Haushalt werden von Jahr zu Jahr schwieriger. Immer weniger wird es eine Frage der Verteilung der Mittel in sinnvolle Maßnahmen und der politische Streit darüber, ob man der Maßnahme A oder B entsprechende Möglichkeiten einräumen will, sondern die Mittel überhaupt, die zur Verfügung stehen, werden knapper und knapper.

Wir kratzen mehr oder weniger die letzten Krümel vom Tisch zusammen und überlegen, wen wir damit noch sättigen können. Dazu kommt, dass der Kreis in der klassischen Sandwich Position zwischen den Städten und dem Landschaftsverband in der Pflicht ist, die geforderten Umlagebeiträge abzuführen und selber aber auf die Umlage der kreisangehörigen Städte und Gemeinden angewiesen ist.

Wir verstehen sehr wohl die Sorge der Bürgermeister:innen, dass der im HH Entwurf vorgeschlagene Hebesatz von knapp 39 % die Städte und Gemeinden im Kreisgebiet an den Rand ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit bringt. Die Haushaltssicherung, die ggf der ein oder anderen Kommune drohen könnte, würde drastische Maßnahmen der Gemeinden erfordern.

Und der Kreis selber muss in etwa die Hälfte der Umlage weiter geben nach Münster an den LWL. Das macht auf allen Seiten viel Unmut!

Aber es ist auch die andere Seite der Medaille anzuschauen:
Mit seinen Einrichtungen im Kreisgebiet Paderborns ist der LWL direkter Arbeitgeber für 750 Beschäftigte, indirekt durch die Unterstützungsleistungen an die freien Träger für weitere 3200 Menschen. Der Kreis Paderborn erhält durch die Leistungen an die Förderschulen, an die Psychiatrie und die beiden Museen im Kreisgebiet auch viel Geld zurückgespielt; mehr – als der Kreis an den LWL zahlt!
Und ebenso, wie der LWL für den Kreis Aufgaben und Leistungen für den Kreis übernimmt finanziert der Kreis wichtige Aufgaben für die kreisangehörigen Städte und Gemeinden. Und macht man hier die Rechnung auf, könnte es sich ähnlich darstellen.

Es ist ein Leichtes, auf den Kreis und die Kreisumlage zu schimpfen. Aber die Ausgaben sind einfach da – und würden wir sie nicht als Kreis übernehmen und uns dafür die Mittel gewissermaßen in Rechnung stellen, müssten die kreisangehörigen Städte und Gemeinden die Aufgaben selber stemmen.

Freie Träger Wohlfahrt
Nicht viel anders geht es den freien Trägern der Wohlfahrtsverbände, die für den Kreis Aufgaben übernehmen und regelmäßig Förderanträge stellen. Auch die freien Träger haben immer mehr mit explodierenden Kostenstrukturen zu kämpfen und ihre klassischen Einnahmequellen, ob Kirchensteuern oder Spenden versiegen zunehmend.
Wir haben im letzten Jahr intensiv in der interfraktionellen Arbeitsgruppe beraten, wie wir die Finanzierung transparent gestalten können und dabei die Leistungsfähigkeit der freien Träger im Auge gehabt.
Wir werden in der Arbeitsgruppe weiter die Diskussionen führen und das gemeinsame Verständnis darüber erzielen, welche Leistungen vom Gesetzgeber vorgeschrieben sind und bei welchen Leistungen wir freiwillig Fördergelder bewilligen können, weil es sozial geboten ist. An dieser Stelle möchte ich allen Beteiligten ausdrücklich Danke für diesen Diskussionsprozess sagen. Vor allem auch ein herzliches „Danke Schön“ an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der jeweiligen beteiligten Fachämter für Protokollwesen und das Recherchieren und Zurverfügungstellen der vielen Datensätze.

Wir sind auf einem gutem Weg – aber auch wenn wir in dieser Arbeitsgruppe im besten Fall im Konsens Ergebnisse erzielen, die in den jeweiligen Fachausschüssen dann abgestimmt werden können darf dieses Vorgehen nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir natürlich unterschiedliche politische Perspektiven auf diese Thematik werfen und am Ende uns auch unterschiedlich positionieren bei der Frage der Prioritätensetzung und letzten Endes bei der Frage: wie viel sollte und dürfte uns die Arbeit der freien Träger im Kreis wert sein.

Die soziale Lage in Deutschland verschlechtert sich. Armut ist kein Stigma mehr von Randgruppen, soziale Not und in Folge psychosoziale Not greift um sich. Die Zahlen sprechen für sich: Die Tafeln, die immer stärker in Anspruch genommen werden müssen, die Beratungsleistungen für Menschen in Not, also die Fallzahlen, die steigen und seit zig Jahren wird von der immer weiter  auseinandergehenden Schere Arm und Reich in den Medien gesprochen.
Armut bei Kindern und Jugendlichen, die Folgen für die Bildung, für das soziale Miteinander macht auch im Kreis Paderborn keinen Umweg. Wir als Kreis können nicht alle Ursachen bekämpfen und nicht Problemlöser für all die Probleme sein.
Es ist allerdings fahrlässig, darüber hinwegzugucken, dass die Aufwendungen für diese Problemstellungen immer größer werden. Die freien Träger, die Beratungsangebote vorhalten, benötigen ein Mehr an Unterstützung. Und bei den sogenannten pflichtigen Aufgaben, also dort, wo der Gesetzgeber dem Kreis vorschreibt, die Aufgaben zu übernehme gilt: wenn die freien Träger aus finanziellen Gründen nicht mehr in der Lage sind, diese Angebote bereit zu halten, muss der Kreis einspringen, und dass dürfte letzten Endes teurer werden als alles andere!

Im Zusammenhang mit dem Klimawandel spricht man von sogenannten Kipppunkten, also Zeitpunkte, wo eine Umkehr nicht mehr möglich ist und Systeme kollabieren können. Auch im gesellschaftlichen Miteinander würde es sich anbieten, von Kipppunkten zu sprechen. Das Vertrauen in die Demokratie schwindet und je abgehängter die Menschen sich fühlen oder sind, desto eher sind sie für radikale Ansichten offen.

Wir dürfen die Menschen, die aus welchen Gründen auch immer sich am Rand der Gesellschaft wiederfinden nicht im Regen stehen lassen —- wir laufen in die Gefahr sozialer Kipppunkte und entsprechender Systemabstürze.

Schauen wir uns im weiteren die Problemlagen im Kita-Bereich oder im Krankenhausbereich an, dann müssen wir auch hier mit Sorge feststellen, dass uns Trägerwechsel drohen. Auch wenn die Sorge für uns im Kreis zum Glück zur Zeit vom Tisch ist – das Problem ist nicht gelöst. Dennoch: Wir haben uns nicht der Resolution der CDU anschließen können, da sie aus unserer Sicht zu kurz greift. Nicht Herr Lauterbach ist allein verantwortlich für die Situation im Gesundheitsbereich, ebensowenig wie Frau Paul im Bereich der Jugendhilfe. Das Problem ist eine strukturelle Unterfinanzierung in diesen Bereichen und kreative Lösungsvorschläge, um die Einnahmeseite des Staates besser zu stellen, sind dringendst von Nöten. Wie heißt es so schön: Das Geld ist da —es ist nur woanders.

Globaler Minderaufwand
Um den Haushalt den kreisangehörigen Städten und Gemeinden etwas angenehmer zu gestalten, gibt es nun zwei interessante Positionen: globaler Minderaufwand und Konsolidierungsbeitrag.
Letzterer ist konkret formuliert und in einzelnen Ämtern als Spargröße definiert. Der globale Minderaufwand aber lebt von der Hoffnung, dass die tatsächlichen Ausgaben geringer ausfallen als sie vermuten lassen. Der globale Minderaufwand soll im Sozial- und Jugendamtsbereich seine monetäre Wirkung entfalten.
Was wir kritisieren ist, dass der globale Minderaufwand gerade in den sensiblen Bereichen, wie oben schon beschrieben, verortet wird, nämlich im Sozial- und Jugendamtsbereich.
Ja – es ist nicht falsch, über Sparen nachzudenken und umzusetzen. Aber in den vorgeschlagenen Bereichen den globalen Minderaufwand festzuschreiben, halten wir für einen schlechten Ansatz, der möglicherweise die o.a. Kipppunkte befeuert. Darüber hinaus kann man gespannt sein, wie sich dieser globale Minderaufwand am Ende darstellen wird.

Drogenkonsumraum
Auch die Schaffung eines Drogenkonsumraums stand in diesem Jahr auf der Agenda. Die gemeinsame Ausschusssitzung Stadt Paderborn und Kreis versprach eine Kehrtwendung in der öffentlichen Wahrnehmung. Leider ist der Prozess in den Hintergrund geraten, aber wir sollten für das kommende Jahr die Thematik wieder intensiv verfolgen. Die Konzepte liegen in Schubladen und können vorgestellt werden – dazu braucht es am Ende den politischen Willen, so vorzugehen.

KreisFeuerwehrzentrale
Große Einigkeit auch mit unseren Kolleg:innen aus dem Rat der Stadt Paderborn konnten wir zum Thema Kreisfeuerwehrzentrale und Leitstelle erzielen. Das Thema zog sich über viele Jahre und die Notwendigkeit zu handeln wurde immer dringlicher.Jetzt gibt es ein abgestimmtes Vorgehen zwischen Stadt und Kreis und die Kuh ist erstmal vom Eis. Es ist sicherlich das Zusammenspiel vieler verschiedener Faktoren, die das Ergebnis hervorbringen konnten, und allen, die aktiv und konstruktiv daran beteiligt waren, ist zu danken. Die nötigen Investitionen für den Grundstückserwerb und die Errichtungskosten sind für den Haushalt der kommenden Jahre eine Herausforderung, aber nötig und unumgänglich.
Der Bevölkerungsschutz, auch eine Pflichtaufgabe des Kreises kann nicht delegiert werden.

Stalag 326
Eine sehr stille Diskussion haben wir zum Thema „Stalag 326“ geführt. Still deswegen, weil eigentlich in allen anderen Anrainerkommunen die Debatte um Beteiligung geführt wurde und größten Teils auch in Beschlüssen mündete, aber hier im Kreis Paderborn das Thema im Prinzip als Nebensache behandelt wurde. Die Landesrätin Frau Dr. Rüschoff-Parzinger hatte Planungen und Beteiligunsvorschläge vorgestellt, eine Diskussion dazu fand nicht statt. Immerhin haben wir im Kulturausschuss auf Vorschlag der Vorsitzenden die Debatte gehabt.
In der Benehmensherstellung haben die BM gefordert, sich nicht an der Betriebskostenbeteiligung zu beteiligen. Stalag 326 steht nicht in Konkurrenz zur Gedenkstätte in Wewelsburg. Stalag 326, ein Ort, in der die Wehrmacht in der Zeit der Naziherrschaft schreckliche Gräueltaten begangen hat. Am Bahnhof Hövelhof kamen die sowjetischen Kriegsgefangenen an, bis zu 200.000 Kriegsgefangene. Nicht überlebt haben bis zu 70.000 Menschen dieses Lager. Hövelhof ist kreisangehörig – wir haben damit zu tun! Die Erinnerung und das Gedenken an die unvorstellbaren Verbrechen der Nazizeit, insbesondere in der aktuellen Zeit, wo Rechtsradikalität wieder populär wird und die AfD in den östlichen Bundesländern vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingeschätzt wird, ist drängend. Der Kulturbeirat des Städtetags hat in seinem Positionspapier „Erinnern ist Zukunft“ die Wichtigkeit der Gedenkstättenkultur und die Notwendigkeit des finanziellen Engagements im Sinne der Demokratiestärkung dargestellt.

Stalag ist kein „Nice to have“ im Sinne eines touristischen Kulturerlebens sondern dringende und drängende Aufgabe, sich auseinanderzusetzen. Was aber auch gesehen werden darf in dem Zusammenhang: wenn Stalag zur Gedenkstätte nationaler Bedeutung entwickelt würde, würde reichlich Fördermittel von Bund und Land in die Region fließen, was sich letzten Endes auch bei uns positiv auswirken würde.

In Sachen Klima
Unsere Fraktion hatte in den vergangenen Jahren an verschiedenen Stellen die notwendige Wärmewende thematisiert. Eine entsprechende Vortragsreihe ist in den letzten Monaten gestartet und gemeinsam mit den anderen Fraktionen ließ sich das notwendige und absolut wichtige Thema im AVE ansiedeln. Auch die Themen „Speicherstrategie“ und „Wasserstoffstrategie“ sind dort zu platzieren.
Sicherlich freuen wir uns, dass die CO2 Bilanz in den Gebäuden des Kreises positiver geworden ist. Ursächlich dafür ist aber der Bezug von Ökostrom -; die Gasverbräuche sind weiterhin auf einem viel zu hohem Niveau und wir erwarten weitere Schritte in Richtung Absenkung.

Das Thema ist dringlich!!!

Anträge:

In der Benehmensherstellung haben die Bürgermeister:innen der Städte und Gemeinden des Kreises die Forderung erhoben, die Ausgleichsrücklage stärker in Anspruch zu nehmen. Von 15 Millionen war die Rede. Wir konnten uns dem Ansinnen anschließen und im Kompromiss sind jetzt 14,4 verabredet, was wir sehr begrüßen.

Die Bahnhofsmission, Träger sind InVia und die Diakonie Paderborn Höxter haben 10 TE beantragt, denn auch hier laufen die Kosten aus dem Ruder. Allein mit einer hauptamtlichen Personalstelle lässt sich die Arbeit trotz des Engagements der vielen ehrenamtlichen nicht mehr leisten. Unser Antrag, diese wichtige und wertvolle Arbeit wenigstens mit 5000 Euro weiterhin zu unterstützen, wird gestellt und ist im KFA auch schon positiv beschieden.

Ebenfalls unserer Initiative geschuldet ist im KFA bereits grünes Licht für die 5. Stelle im Frauenhaus Salzkotten gegeben worden. Damit kann insbesondere die so wichtige Arbeit im Kinder- und Jugendbereich mitgestaltet werden.

Die Diskussion um die Reduzierung des geforderten Trägeranteils bei den Wohlfahrtsverbänden erweist sich als schwierig. In vielen Gesprächen mit den Vertretern der SPD und CDU ist durchaus deutlich geworden, dass wir keinen Dissens haben bezüglich der Einschätzung der Problemstellung. Im weiteren Vorgehen möchten wir bereits in 2024 mit konkreten Schritten starten und halten daher unseren modifizierten Antrag, den Trägeranteil auf 10 % zu reduzieren und den Start mit den Wohlfahrtsverbänden vorzunehmen, bei denen für 2024 die Leistungsverträge neu formuliert werden aufrecht. Der Kompromiss besteht darin, diese Summe i.H. von 45 TE mit einem Sperrvermerk zu versehen, so dass der Fachausschuss beraten und entscheiden kann.
Wenngleich wir uns im Prinzip noch eine weitergehende Lösung vorstellen können und davon überzeugt sind, damit erstens dem Ansinnen der Wohlfahrtsverbände zu entsprechen und zweitens langfristig damit auch dem Kreis Gutes zu tun, soll mit dem Kompromissvorschlag die Hürde für die anderen Fraktionen so gering wie möglich gehalten werden.
Unabhängig davon: die Verabredung steht, dass in der Arbeitsgruppe und schließlich im KSGA weiter zum Thema diskutiert wird und wir werden für das Anliegen konstruktiv streiten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit